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03.09.1939.
Nach dem Überfall auf Polen ermorden die Deutschen in Bromberg 10.500 Menschen und ermorden 13.000 Menschen in Lagern



GENERAL RUDENKO: Angeklagter Göring, in Ihrer Aussage haben Sie erklärt, daß der Angriff auf Polen nach den blutigen Ereignissen in der Stadt Bromberg ausgeführt wurde.

GÖRING: Ich habe gesagt, daß der Angriffstermin durch blutige Ereignisse ausgelöst wurde, die neben vielen anderen Dingen auch den Blutsonntag in Bromberg enthielten.

GENERAL RUDENKO: Es ist Ihnen bekannt, daß diese Ereignisse am 3. September 1939 stattfanden?

GÖRING: Ich mag mich vielleicht im Datum von Bromberg geirrt haben, dazu müßte ich die Unterlagen haben; ich habe das nur als Beispiel unter vielen anderen vorgeführt.

GENERAL RUDENKO: Selbstverständlich. Der Angriff wurde am 1. September begonnen, und die von Ihnen gerade erwähnten Ereignisse in der Stadt Bromberg geschahen am 3. September 1939. Ich lege dem Gerichtshof ein Beweisstück vor. Es handelt sich um ein Dokument der Außerordentlichen Kommission zur Untersuchung der deutschen Verbrechen in Polen, welches gemäß Artikel 21 des Statuts beglaubigt ist. Daraus geht hervor, daß die soeben erwähnten Ereignisse am 3. September 1939 stattfanden, das heißt am dritten Tage nach Beginn des deutschen Angriffs auf Polen.

VORSITZENDER: Wenn Sie wollen, können Sie das Dokument dem Zeugen vorlegen.

GENERAL RUDENKO: Ich besitze keinen deutschen Text. Ich habe nur den englischen und den russischen Text bei mir. Dieses Dokument habe ich soeben erhalten. Es ist vom 19. März datiert, und ich lege es dem Gerichtshof als überzeugendes Beweisstück für diese Tatsache vor.

VORSITZENDER: Ich glaube nicht, daß dies der geeignete Zeitpunkt ist, Dokumente auf diese Weise vorzulegen.

Gut, wenn Sie wollen, können Sie das Dokument jetzt überreichen.

GENERAL RUDENKO: Ich danke Ihnen, Herr Vorsitzender!

VORSITZENDER: Es muß aber natürlich in die deutsche Sprache übersetzt werden.

GENERAL RUDENKO: Ich besitze keine deutsche Übersetzung dieses Dokuments.

VORSITZENDER: Es muß ins Deutsche übersetzt werden, damit der Verteidiger Einsicht nehmen kann.

GENERAL RUDENKO: Jawohl, Herr Vorsitzender, das wird ganz gewiß geschehen.

DR. STAHMER: Darf ich bitten, zu veranlassen, daß das Dokument jetzt verlesen wird, es handelt sich nur um eine kurze Denkschrift, damit wir sofort erfahren können, was in diesem Dokument enthalten ist.

[715] VORSITZENDER: Sehr wohl, wollen Sie es in das Sitzungsprotokoll verlesen, General Rudenko.

GENERAL RUDENKO: Bitte sehr, es ist nicht sehr lang:

»Bescheinigung auf Grund der Untersuchungen der polnischen Gerichtsbehörden. Die Außerordentliche Kommission zur Untersuchung der deutschen Verbrechen in Polen bestätigt, daß der sogenannte ›Blutsonntag‹ in der Stadt Bromberg am 3. September 1939 stattfand, das heißt, drei Tage nach Beginn des deutschen Überfalls auf Polen.

Am 3. September 1939, 10.15 Uhr vormittags, griffen die deutschen Streitkräfte die polnische Armee an, die sich aus Bromberg zurückzog. Während dieser Kämpfe wurden 238 polnische Soldaten und 223 Mitglieder der deutschen Fünften Kolonne getötet. Nach dem Eindringen der deutschen Truppen in die Stadt Bromberg begannen auf Grund dieser Zwischenfälle Massenhinrichtungen, Verhaftungen und Verschleppungen polnischer Bürger in Konzentrationslager. Dies wurde alles von den deutschen Behörden, der SS und der Gestapo durchgeführt. 10500 Menschen wurden getötet und 13000 kamen in den Lagern um.

Diese Bescheinigung ist ein offizielles Dokument der Polnischen Regierung und wird dem Internationalen Militärgerichtshof gemäß Artikel 21 des Statuts vom 8. August 1945 vorgelegt.

Stephan Kurovski, Mitglied der Hohen Kommission zur Untersuchung deutscher Verbrechen in Polen.«

Ich wollte mit diesem Schriftstück beweisen, daß die Ereignisse, über die der Angeklagte Göring hier aussagte, nach dem Überfall der Deutschen auf Polen stattfanden.

GÖRING: Ich weiß nicht, ob wir hier dieselben Ereignisse meinen.

GENERAL RUDENKO: Ich spreche über die Ereignisse in der Stadt Bromberg. Sie sprachen darüber.

GÖRING: Vielleicht haben in Bromberg zwei verschiedene Ereignisse stattgefunden.



aus:
IMT, Der Nürnberger Prozeß, Band 9,1947