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03.11.1941. An diesem Tag wurden 2000 Menschen in Berditschew erschossen


Nach der Massenerschießung versuchten sich die Juden, die zuvor aus der Stadt auf die Dörfer geflohen waren, zusammen mit den Bewohnern der umliegenden Orte, in denen nunmehr die jüdische Bevölkerung restlos ausgerottet wurde, in das verödete Ghetto zu retten. Irgend jemand hatte ihnen eingeflüstert, daß sie hier, in den speziell für die Juden abgeteilten Straßen, dem Tode entrinnen könnten. Doch bald kehrten die Deutschen und die Polizisten dorthin zurück, und es begannen neue blutige Ausschreitungen.
Kleinen Kindern zerschmetterten sie die Köpfe an Pflastersteinen, den Frauen schnitten sie die Brüste ab. Zeuge dieses Gemetzels war der fünfzehnjährige Lew Milmeister; er war, von einer deutschen Kugel am Fuß verwundet, vom Ort der Erschießung geflohen.
Ende Oktober 1941 begann eine Hetzjagd auf jene, die heimlich in den für Juden verbotenen Stadtteilen lebten. An diesen Razzien waren nicht nur Deutsche und Polizisten beteiligt, sie wurden dabei von Schwarzhundertern als Zuträger unterstützt. Um den 3.November wurden 2000 Menschen in das alte Kloster des Barfüßigen Karmeliterordens getrieben, das am abschüssigen Ufer eines Flusses lag und von einer hohen, dicken Festungsmauer umgeben war. Hierher wurden auch die 400 Fachleute mit ihren Familien gebracht, die Röder und Koroljuk während der Erschießung am 15.November ausgesondert hatten. Am 3.November wurden die im Kloster zusammengetriebenen Leute aufgefordert, alle Wertsachen und alles Geld, das sie bei sich trugen, in einen speziell dafür aufgezeichneten Kreis zu legen. Der deutsche Offizier erklärte ihnen, daß diejenigen, die ihre Wertsachen versteckten, nicht erschossen, sondern bei lebendigem Leibe begraben werden würden.
Sodann führte man sie in Schüben zu je 150 Personen zur Erschießung. Die Leute wurden zu Paaren aufgestellt und auf Lastwagen verladen. Zuerst die Männer, es waren ungefähr 800, dann die Frauen und Kinder. Einige der im Kloster eingesperrten Menschen waren, infolge der Schläge und schrecklichen Quälereien, infolge von Hunger und Durst, nach viermonatiger Herrschaft der Deutschen und dem Verlust ihrer Nächsten seelisch bereits so zermürbt, daß sie den Tod wie eine Erlösung empfanden. Die Menschen reihten sich ein, ohne auch nur zu versuchen, den Augenblick des Todes noch um ein, zwei nutzlose Stunden hinauszuzögern.
Jemand, der zum Ausgang drängte, rief:
«Juden, laßt mich durch: noch fünf Minuten und Schluß - weshalb sich fürchten ?»
An diesem Tag wurden 2000 Menschen erschossen, darunter die Ärzte Wurwarg, Baraban, der Zahnarzt Blank, Doktor Liberman, die Familie des Zahnarztes Rubinstein. Die Erschießungen fanden außerhalb der Stadt im Gebiet der Sowchose Sakulino statt.
Im Zusammenhang mit dieser erneuten Exekution, diesmal direkt am Rande der Grube, wurden wieder 150 hervorragende Handwerker und Facharbeiter ausgesondert.
Sie wurden im Lager auf dem Kahlen Berg untergebracht. In diesem Lager konzentrierten die Deutschen allmählich die besten Fachleute, die von überall herbeigeschafft wurden. Insgesamt zählte das Lager etwa 500 Insassen.

aus:
Wassili Grossmann, Ilja Ehrenburg (Herausgeber)
Das Schwarzbuch, Der Genozid an den sowjetischen Juden
(in deutscher Sprache herausgegeben von Arno Lustiger), 1994