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02.03.1942. Massaker im Ghetto von Minsk



Die Gestapo forderte, zum 2. März 1942 um 10 Uhr 5000 Juden auszuwählen, die, so wurde vorgegeben, zur Arbeit eingesetzt werden sollten. Sie verlangten, daß niemand ausgewählt werden sollte, der bereits in deutschen Betrieben beschäftigt sei. Auf die bewußt naiv gestellte Frage des Mitglieds des «Judenrates» Dolski, ob auch Alte und Kinder ausgewählt werden dürften, antwortete die Gestapo: «Das ist vollkommen egal.»
Damit war für uns klar, daß eine erneute Vernichtungsaktion der Ghettobewohner vorbereitet wurde.
Über die Mitglieder unserer Organisation informierten wir die Einwohner des Ghettos von der drohenden Gefahr. Dem Chef des Ordnungsdienstes im Ghetto, Sjama Serebrjanski, erteilten wir die Aufgabe, die zuverlässigsten Mitglieder seines Dienstes auszuwählen und sie zu beauftragen, rechtzeitig das Anrücken der Pogrommeute zu melden. Wir empfahlen, daß möglichst viele Menschen am 2. März versuchen sollten, das Ghetto zu verlassen, um zur Arbeit zu gehen oder belorussische Bekannte zu besuchen ...
In den Werkstätten des «Judenrates» hatte man eine «Malina» für ca. 100 Personen eingerichtet, die einen Ausgang zur Stadt hatte. Zufluchtsstätten waren ebenfalls in den Ruinen der Mjasnizkaja-Straße vorbereitet worden.

Am blutigen 2. März erschienen unmittelbar nach dem Abmarsch der Arbeiterkolonnen die Vertreter der Gestapo und forderten «ihre» 5000 Juden, da «der Zug zum Abtransport» bereits bereitstehe. Die Gestapo-Banditen verteilten sich über das gesamte Ghetto und schössen unaufhörlich mit Revolvern und Maschinenpistolen um sich. Sie stürzten sich wie die Geier auf die Insassen des Kinderheimes und verprügelten sie gnadenlos. Dann formierten sie eine spezielle Kinderkolonne unter Leitung des Heimvaters Fleischer und des Arztes Tschernis, die in ihren Armen die Kleinsten hielten. Und so wurden sie alle in den Tod getrieben.

In der Nähe des «Judenrates», in der Ratomkaja-Straße 35, warfen die Deutschen die Kinder lebendigen Leibes in eine Grube, die sie danach mit Sand zuschütteten. Bald traf auch der Oberhenker von Belorußland, Kube*, ein. Dieser Sadist warf den Kindern, die man gerade lebendig eingrub, Bonbons zu.

* Wilhelm Kube (1887-1943), Generalkommissar für Weißruthenien. Wurde bei einem Attentat durch eine sowjetische Partisanin getötet. Vgl. Enzyklopädie des Holocaust, Bd. 2, S. 832.

 

aus:
Wassili Grossmann, Ilja Ehrenburg (Herausgeber)
Das Schwarzbuch, Der Genozid an den sowjetischen Juden
(in deutscher Sprache herausgegeben von Arno Lustiger), 1994