Deutsche Verbrechen --------------------

20.02.1942. Russische Kriegsgefangene bei Krupp



Kesselbau, den 25. Februar 1942
Herrn Hupe durch Herrn Winters
durch Herrn Schmidt


Mit beigefügtem Schreiben der Deutschen Arbeitsfront vom 18.d.M. (an meine Privatadresse gerichtet) wurde ich für Freitag, den 20. d. Mt., zur Dienststelle der Deutschen Arbeitsfront, Steubenstr. 61, Zimmer 20 gebeten. [...]
Gegen 9.50 Uhr bin ich dann bei der vorgenannten Dienststelle, Zimmer 20, Herrn Prior, vorstellig geworden.
Veranlassung zu dieser Aussprache, die von Seiten des Herrn Prior recht lebhaft geführt wurde und etwa 1/2 Stunde dauerte, gab folgender Vorgang:
Am 16. d. Mts. wurden dem Betrieb Kesselbau 23 russische Kriegsgefangene zugewiesen. Die Leute kamen morgens ohne Brot und Arbeitszeug zur Arbeit. Während der beiden Pausen pirschten sich die Gefangenen an die in der Nähe sitzenden deutschen Arbeiter heran und baten, jämmerlich auf ihren Hunger hinweisend, um Brot. (Am ersten Mittag hatte der Betrieb Gelegenheit, übriggebliebenes Essen der franz. K.G. an die russ. K.G. auszuteilen.) Um diesem Zustand abzuhelfen, bin ich dann auf Veranlassung von Herrn Theile am 17. d. M. zur Küche Weidkamp gefahren und habe mit der Leiterin der Küche, Frl. Block, wegen Hergabe von Mittagessen verhandelt. Frl. Block sagte mir die Abgabe des Essens sofort zu und gab mir außerdem noch leihweise die erbetenen 22 Eßgeschirre. Ich habe bei der Gelegenheit Frl. Block noch gebeten, wenn Reste von den dort essenden 800 Holländern übrigbleiben sollten, diese doch unseren russ. K.G. bis auf weiteres mittags zur Verfügung zu stellen. Frl. B.  sagte mir auch dieses zu und gab am nächsten Mittag einen Bottich Milchsuppe als Beigabe. Am darauffolgenden Mittag war die Zuteilung mengenmäßig knapp. Da einige Russen schon abgesackt waren, versuchte ich, da vom zweiten Tage ab auch die Sonderzuteilung wieder aufhörte, Frl. B. nochmals telefonisch um eine Mehrgabe von Essen zu bitten. Da meine tel. Gespräche nicht den gewünschten Erfolg hatten, suchte ich Frl. B. nochmals persönlich auf. Frl. B. lehnte jetzt in ganz schroffer Form jede weitere Sonderzuteilung ab. Zu der Verhandlung im einzelnen. Im Zimmer waren anwesend: Herr Prior, 2 weitere Herren der DAF und Frl. Block, Leiterin der Küche Weidkamp. Herr Prior nahm das Wort und warf mir gestikulierend und in beleidigender Form vor, ich hätte mich in auffallender Weise zu sehr für die Bolschewisten eingesetzt. [...] Mit besonderem Nachdruck habe ich Herrn Prior dann klarzumachen versucht, daß uns die russ. K.G. als Arbeitskräfte zugewiesen seien und nicht als Bolschewisten. Die Leute seien ausgehungert und nicht in der Lage, bei uns im Kesselbau schwere Arbeiten, wofür sie gedacht waren, auszuführen. Kranke Leute seien für uns Ballast und keine Hilfe, um zu produzieren. Herr Prior meinte daraufhin, wenn der eine nicht taugt, taugt der andere, die Bolschewisten seien seelenlose Menschen, wenn Hunderttausend eingingen, kämen weitere Hunderttausend dran. Auf meinen Hinweis, daß wir bei einem solchen Hin und Her aber nicht zum Ziele kämen, nämlich zur Ablieferung von Lokomotiven an die Deutsche Reichsbahn, die täglich auf Kürzung der Liefertermine dränge, meinte Herr Prior, »Liefern sei hier Nebensache.«
Meine Bemühungen, Herrn Prior für unsere wirtschaftlichen Belange Verständnis beizubringen, blieben ohne jeden Erfolg. Ich kann abschließend nur sagen, daß ich als Deutscher das Verhältnis zu den russ. Kriegsgefangenen genau kenne und im vorliegenden Fall nur im Auftrage meiner Vorgesetzten und im Sinn der verlangten Leistungssteigerung gehandelt habe.

gez. Söhling Bürovorsteher der Lokomotivfabrik
 

aus.
Ernst Klee und Willi Dreßen (Herausgeber)
"Gott mit uns" Der deutsche Vernichtungskrieg im Osten 1939 - 1945, 1989