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01.04.1933. Landesweiter Boykott jüdischer Geschäfte



Von den beleidigenden verbalen Attacken des Regimes und der Öffentlichkeit einmal abgesehen, kam es nur zwei Monate nach der Machtübernahme zum ersten, großangelegten, organisierten Angriff auf die deutschen Juden, der auch Symbolkraft entwickeln sollte.
Der landesweite Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 signalisierte allen Deutschen die Entschlossenheit der Nationalsozialisten. Nun wurden die Juden so behandelt, wie es der oft formulierten Auffassung über sie entsprach, nämlich als fremde Eindringlinge im deutschen Gesellschaftskörper, die dessen Wohlergehen gefährdeten. Den Reden folgten jetzt Taten.
Und wie reagierten die Deutschen auf den Boykott?
Ein Jude erinnert sich, daß einige ihre Solidarität mit den umzingelten Juden entschieden zum Ausdruck brachten.
Doch "solche Proteste waren nicht sehr verbreitet. Die allgemeine Einstellung des Publikums zeigte sich bei einem Zwischenfall in einer Drogerie. Eine Dame, begleitet von zwei Nazis in Uniform, trat ein. Sie hatte einige Artikel bei sich, die sie ein paar Tage zuvor gekauft hatte, und verlangte von dem Drogisten ihr Geld zurück. >lch wußte nicht, daß Sie ein Jude sind,< erklärte sie, >ich wünsche nämlich nichts bei Juden einzukaufen.<.
 Das war die Sicht des deutschen Volkes, das, organisiert durch den deutschen Staat, kollektiv eine Gruppe deutscher Staatsbürger boykottierte, weil diese angeblich - im Verbund mit ihren Rassebrüdern im Ausland - Deutschland Schaden zufügten.

aus:
Daniel Goldhagen
Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust, 1996